Findige Fernsteuer-Fotografen

Mit Modellseglern machen Robert Gayk und Rüdiger Zoll Luftaufnahmen

Lohr/Steinfeld/Waldzell.... Luftbilder vom Boden aus auslösen – diesen Traum haben sich Robert Gayk aus Lohr und Rüdiger Zoll aus Kleinostheim erfüllt. Sie brauchen keine aufwändigen Hubschrauberflüge oder Sportflugzeug-Starts mehr. Ihre Digitalkameras schicken sie einfach mit Modellflugzeugen in die Luft und drücken vom Boden aus per Fernsteuerung auf den Auslöser.

So lässt es sich mal eben von einer Wiese bei Wombach starten, um aus einigen hundert Metern Höhe Bilder vom Lohrer Süden, dem Industrie- und Gewerbegebiet oder dem Wombacher Ortskern und den Neubaugebieten zu schießen. Oder auf der Fränkischen Platte den Modellflieger über Dörfern und Landschaften kreisen zu lassen, um nach der Landung eine volle Speicherkarte mit Überblicks-Fotos aus der Kamera zu ziehen.

Doch bis alles funktionierte, hieß es erst mal tüfteln, konstruieren, ausprobieren. Robert Gayk, 41-jähriger Diplom-Ingenieur aus Lohr, der auf der TH Aachen Werkstoffwissenschaften studiert hat, baut dabei nicht nur auf einen guten theoretischen Hintergrund in Aerodynamik und Konstruktion auf. Seit über 20 Jahren widmet er sich auch dem Modellflugzeugbau und ist seit der Anfangszeit Mitglied des MSC Condor Waldzell.

Die Idee mit den ferngesteuerten Luftaufnahmen begann mit einer Pen-Cam – einer Mikro-Kamera. Was in Industrie und Medizin zum Einsatz kommt, müsste sich doch auch auf einen Modellflieger montieren lassen, dachten sich die beiden und gingen ans Ausprobieren. Das technische Mini-Auge brauchte noch eine Akku-Stromversorgung und eine Auslösung per Fernsteuerung, dann montierten es die beiden oben auf die Tragfläche eines Modellfliegers. Doch der Bremswiderstand war enorm, der Flieger kaum hochzukriegen und ruhig zu fliegen. Immer wieder wurde nach Verbesserungen gesucht, bis die Mini-Kamera bei einem Notabstieg aus starker Thermik sich vom Modell löste. Mit handelsüblichen Digitalkameras – kompakten und leichten Modellen von Aiptek und Ricoh mit Auflösungen von zwei bzw drei Megapixeln – gingen die Versuche weiter.

Herr Gayk realisierte einen Elektrosegler mit speziellem Rumpf, der die 200 Gramm schwere Ricoh-Kamera sowie Plattform und Ausgleichsgewichte gut in die Höhe bringen und sich dabei ruhig fliegen lassen kann.

Nebenher liefen Versuche mit einer kleinen Funkkamera. Für diesen Einsatzzweck zeigte diese eine zu geringe Auflösung - vor allem konnte deren Übertragungsreichweite nicht überzeugen. Aber das mögliche Potential war sehr gut abzuschätzen und die Platzrundflüge lieferten wertvolle Erkenntnisse für die Entwicklung eines Trägers, der in der Lage sein sollte, handelübliche Videokameras mitfliegen lassen zu können.

Hierfür konstruierte Herr Gayk einen großen Doppelrumpf-Segler mit 3,30 Metern Spannweite. Ein Doppelrumpfkonzept wurde gewählt, damit die auf einem zentralen Hardpoint positionierte Hi8 -Videokamera nicht durch den Propellerkreis filmt.

Die Segler erwiesen sich als ideal für die Luftaufnahmen. Sie hatten auch genug Tragkraft, um die Kameraplattform noch mit zwei Kreiseln speziell zu stabilisieren. Wenn die zum Aufstieg genutzten Elektromotoren abgeschaltet werden, glitten die Segler ruhig in der Thermik und ließen sich bestens manövrieren:
»Tolles Teil, ruhig und trotzdem wendig, das Flugbild ist einzigartig«, schwärmt Rüdiger Zoll.

Damit brauchte es für die beiden Modell-Luftfotografen nur noch gutes Wetter: Einerseits war Thermik gefragt, andererseits nicht zuviel Wind, um die Flugmodelle nicht zu gefährden bzw. unnötig zu verdriften. Und natürlich Hochdruck mit möglichst geringer Luftfeuchtigkeit, um aus Höhen von 300 Metern und noch deutlich darüber kontrastreiche Aufnahmen statt diesigem Brei runterzubringen.



Aber wie schießt man Luftbilder vom Boden aus per Fernsteuerung ohne den Bildausschnitt im Sucher zu sehen?

Fliegerische Erfahrung und ein wenig Glück spielen da zusammen. Den richtigen Anflugwinkel ansteuern, das sich ergebende Sichtfeld abschätzen und dann auslösen. Etwa zehn Prozent der Aufnahmen sind brauchbar, schildert Herr Gayk. Eine Quote, die akzeptabel ist, zumal dank der Digitalkameras kein Filmmaterial mehr gebraucht wird. Rund 100 Aufnahmen passen auf eine Speicherkarte. Die Erstauswertung kann direkt vor Ort vorgenommen werden –ein gravierender Vorteil der modernen Digitaltechnik - und der Ausschuss ist schnell gelöscht. Die Rückschlüsse aus den gewonnenen Aufnahmen lassen sich z.B. in einem anschließenden Flug direkt berücksichtigen.

Technisch wäre es sogar möglich, das Sucherbild auf einen Bildschirm am Boden zu funken, um den Bildausschnitt optimal zu treffen. Ebenso den Zoom im Flug zu beeinflussen. Aber aus praktischen Erwägungen heraus und auch aus Kostengründen haben die Modellflieger dies ebensowenig in Erwägung gezogen wie eine GPS-Tracking-Programmierung, mit der eine genau festgelegte Route ohne Fernsteuerung abgeflogen werden könnte. So könnte beispielsweise ohne, dass immer der direkte Sichtkontakt mit der Maschine gewährleistet ist, über einem eng bebauten Stadtgebiet fotografiert werden.

Das ist Zukunftsmusik – doch den beiden findigen Fernsteuer-Flugfotografen wird sicher noch einiges einfallen.

(Lohrer Echo, 06.10.2004, Klaus Fleckenstein)